Christine Mayr-Lumetzberger
Curriculum Vitae - Geboren
1956 in Linz, Oberösterreich
- Schulbildung bei
den Kreuzschwestern in
Linz
- 1975 Abschluss der Ausbildung zur
Kindergärtnerin
- 1975-80 Kloster der
Benediktinerinnen vom
Unbeflecken Herzen Mariens in Steinerkirchen, Oberösterreich
- 1981 Abschluss des Lehramtsstudiums
Religion
- 1982 Heirat DI Dr. Michael Mayr
- 1982ff Weitere Lehramtsstudien:
Deutsch, Technisches Werken, Sonderpädagogik
- Seit
1991 im Lehrberuf tätig
- Verschiedene
ehrenamtliche Tätigkeiten im
kirchlichen Bereich, davon 10 Jahre in der Krankenhausseelsorge
- Seit 1995 Engagement in der
Kirchenreformbewegung im Rahmen der Plattform "Wir sind Kirche";
Schwerpunkt Frauenordination
- 1996-98
Entwicklung des
Ausbildungsprogramms "Frauen für Weiheämter"
- 1999
Approbation des Ausbildungsprogramms
durch die Plattform "Wir sind Kirche"; Start der Ausbildung mit drei
Gruppen
- 2002 Priesterweihe – auf einem
Donauschiff wird Christine Mayr-Lumetzberger als eine von sieben Frauen
zur
römisch-katholischen Priesterin geweiht.
- Bischofsweihe:
Datum, Ort und
Weihebischöfe nicht publiziert.
Christine
Mayr-Lumetzberger
Meine Berufungsgeschichte
(geschrieben im
Jahr 1996)
Kindheit und Schulzeit
Ich
bin die älteste Tochter
religiöser Eltern, geboren 1956 in Linz,
Oberösterreich. Beide waren über
dreißig Jahre, als sie heirateten. Meine Mutter war von
katholischen
Jugendgruppen geprägt, mein Vater war Kolpingssohn.
Für alle vier Kinder waren
Sonntagsmesse, Frühkommunion und Frühbeichte
selbstverständlich.
Mich hat vor allem
die
Mesnertätigkeit meines Großvaters interessiert, der
selbstverständliche Umgang
mit den “heiligen Dingen”. Vor Priestern hatte ich
weder Angst noch Respekt,
sie waren mir entweder gleichgültig, oder ich erwartete
Informationen über Gott
und was damit zusammenhängt.
Meine gesamte
Schulzeit -14 Jahre
lang - verbrachte ich in der Schule der Kreuzschwestern in
Linz. Der
Religionsunterricht und das Leben meiner Lehrer und auch einiger
Schwestern
waren für mich befremdend. Es verwunderte mich, wie die
für mich faszinierende
biblische Botschaft von ihnen missverstanden wurde. Meine Kinderbibel
und auch
der spätere Religionsunterricht sprachen eine ganz andere
Sprache. Das ehrliche
persönliche Ringen um echtes religiöses Leben
überzeugte mich eher.
Die einzelnen
Inhalte des Religionsunterrichtes
habe ich weitgehend vergessen. Ich erinnere mich aber an einige
Einzelheiten, zum
Beispiel an den Habit eines Benediktiners, an den sorgfältigen
Unterricht eines
heute verheirateten Priesters, an einen Jesuiten, der später
Selbstmord beging,
an die ehrlichen Gebete einer ausgetretenen Kreuzschwester und die
Bitte um
meinen Segen für eine Kreuzschwester, mit der ich jahrelang im
Streit gelegen
war und die dann an Krebs erkrankte und starb.
Nach
Volksschule und Untergymnasium
wollte ich Kindergärtnerin werden, was ich dann gegen den
Willen meiner Mutter
schließlich durchsetzte. Geistig war ich mit etwa 14 Jahren
von zu Hause
ausgezogen.
Ich ging, soweit wie möglich,
meinen Eltern aus dem Weg. Der Gemeindepriester wurde eine Zeitlang
mein kluger
Beichtvater, der es verstand, meinen Intellekt anzusprechen. Ich
führte eine
Mädchengruppe, gestaltete die Liturgie, wurde in den
Pfarrgemeinderat gewählt
und hatte mit 17 Jahren eine gute Position in der Pfarre.
Begabung und Berufung
Ich habe Berufung
immer mit einer
besonderen Begabung verglichen: ein musikalisch begabter Mensch hat
Freude an
Musik, und wenn er ein Instrument in die Hand nimmt, es
probiert,
kann er ihm wohlklingende Töne, Melodien entlocken.
Er hat selbst Freude
am Musizieren und erfreut auch seine Umgebung damit, auch
wenn es mitunter
harte Übung erfordert. Mit seiner Begeisterung für
Musik kann er auch
andere anstecken, es selbst einmal zu versuchen, ein Instrument zum
Klingen zu
bringen, ein Lied zu singen. Vielleicht kommt mit dem Tun auch das
Können.
Ich selbst bin nicht besonders
musikalisch. Ich blase - mehr gern als gut - das Jagdhorn,
aber ich gebe
nicht auf. Ich habe aber eine religiöse Begabung, die
„Lust am Herrn ist meine
Stärke“ (vgl. Ps. 36,4). Besonders bei Priestern
habe ich versucht, Verständnis
für mein Suchen zu finden. Von ihnen habe ich erwartet, dass
sie mich und meine
Berufung verstehen müssten. Verschiedene Beichtväter
waren mir zeitweise sicher
hilfreich, letztlich ließen sie mich aber mit allen
Entscheidungen allein. Wichtig
waren in meiner Jugend sicher auch ein Taizé-Aufenthalt,
Wochenenden der KSJ,
besonders im Prämonstratenserstift Schlägl,
Begegnungen mit anderen suchenden
Menschen, die auch noch nicht alle Antworten gefunden hatten.
Nur weil ich ein Mädchen bin...
Gemeinsam
mit meinen Geschwistern
spielte ich immer wieder Messe. Geduldig schnitten wir mit einer
Nagelschere
aus Backoblaten Hostien, die dann in einem Eierbecher aufgewahrt
wurden. Mein Bruder
wollte immer den Pfarrer spielen, aber er konnte nur die Wandlungsworte
auswendig sprechen. Als Bub reklamierte er die Rolle des Pfarrers
für sich,
meine Schwester und ich konnten aber auch die übrigen
Messtexte auswendig.
Als ich etwa 14 Jahre alt
war,
besuchte ich alle erreichbaren Gottesdienste in der Gemeinde. Ich
animierte
meinen völlig unwilligen Bruder, ministrieren zu lernen, ich
durfte ja nicht,
ich war ja ein Mädchen. Er durfte das Ministrantengewand
anziehen und konnte
noch immer nicht ministrieren. Der Pfarrer registriere meinen
Ärger über den
Bruder, ich durfte dann auch ein paar Mal ministrieren, aber ohne das
ersehnte
Gewand. Einige Jahre vorher hatte ich auch unbedingt an den Papst
schreiben
wollen und um Aufhebung des unsinnigen Verbotes für
Mädchen als Ministranten anfragen.
Mangels geeigneter Adresse landete der Brief im Altpapier.
Interesse
am geistlichen Leben
In der Gemeinde gab es
bereits
Anfang der 70er Jahre einen Liturgiekreis, in dem ich auf Empfehlung
des
Pfarrers mitarbeitete. Endlich konnte ich auch am Altar stehen oder
wenigstens
am Ambo und mitarbeiten am Gottesdienst. Den konkreten Wunsch,
Priester zu
werden, getraute ich mich damals noch nicht zu formulieren; ich hatte
ja auch
niemanden, dem ich das hätte erzählen
können. Ordensleben, Liturgie, Chorgebet
wurden der spirituelle Gegenpol zu den Gemeindeaktivitäten.
Ich wollte mir ein
Brevier kaufen, wusste nicht, wo und wie. Eine fromme Freundin meiner
Tante
schenkte mir die damals neu erschienene Studienausgabe - ich
war ein neuer
Mensch! Sofort nähte ich einen Samtumschlag mit Goldborten,
und ich las mein
Brevier in der Straßenbahn, in der Mittagspause,
während der Schulstunden, im
Bett... Gezielt suchte ich die Bekanntschaft von Ordensleuten und
Priestern,
informierte mich über Ordensregeln und Klöster,
über die Möglichkeiten von Ein-
und Austritt.
Eine Schulkollegin meiner
Tante war
Priorin im Benediktinerinnenkloster in Steinerkirchen, das zur
pastoralen
Mithilfe der Schwestern in den Pfarren gegründet worden war.
Die Sache schien
mir interessant.
Ordensleben
Nach
meinem Schulabschluss trat ich
in das Kloster der Benediktinerinnen des Unbefleckten Herzens Mariens
ein. Ich
erhielt den Schwesternnamen “Marie Christin” und
wählte die “Allerheiligste
Dreifaltigkeit” als Adelsprädikat. Ich hoffte, am
Ziel meiner geistlichen Wünsche
zu sein. Ich nahm die Ordenserziehung sehr ernst, erledigte meinen
Tischdienst,
ertrug den Unterricht der Novizenmeisterin und einen dummen Spiritual,
putzte
die Kapelle, lernte im Chorkleid mit Rauchfass, Schiffchen und Velum
eine
doppelte Kniebeuge zu machen und liebte und genoss das stundenlange
Chorgebet.
Ich hielt das Klosterleben
für eine
unentbehrliche Vorstufe auf meinem Weg zum Altar. Die Aufgaben der
Schwestern
in Richtung alleiniger Pfarrführung schienen mir interessant.
Nach Postulat,
zwei Jahren Noviziat und Profess wollte ich zum Theologiestudium nach
Salzburg.
Mit dem Hinweis auf den Gehorsam musste ich nach Linz auf die Akademie,
um
Religionslehrerin zu werden. Die Ausbildung war gut, aber nicht die,
die ich
wollte. Es gab Konflikte mit den Oberinnen und einige Erlebnisse, die
mich
bewogen, mein Suchen nach Gott neu zu beginnen. (Die Suche nach Gott
ist die
eigentliche Frage an jemanden, der an das Tor eines
Benediktinerklosters
klopft, um einzutreten.)
Nach fast 5 Jahren
verließ ich das
Kloster am Ende meiner Professzeit, schweren Herzens, wieder nicht das
Gesuchte
gefunden zu haben, aber reich beschenkt mit geistlichen Erkenntnissen.
Innerlich bin ich Benediktinerin geblieben, auch wenn ich den
äußeren Habit
abgelegt habe. Die Profess mit der ernstlichen Ausrichtung auf Gott hin
gilt
für mich immer noch.
Persona non grata
In meinem letzten Studienjahr
unterrichtete ich Religion in einer Sonderschule, wurde mit meinem Mann
Michael
näher bekannt, lernte ihn lieben, zog zu ihm und heiratete ihn
nach dem Studienabschluss.
Er war in erster Ehe geschieden und hatte vier Kinder. Mir wurde die
Missio
canonica entzogen. Zu dieser schwierigen Situation kamen
Distanzierungen
kirchlicher Personen, Konflikte mit der Institution um eventuelle
Anstellungen,
die aus wirtschaftlichen Gründen äußerst
notwendig gewesen wären, und das
totale Unverständnis der katholischen Umwelt.
Dabei
war meine Eheschließung
durchaus auch ein beabsichtigter Akt der Solidarität mit einem
Mann, der im
Sinne der Kirche ein Gescheiterter war. Wo blieb der Christen
Solidarität mit
mir?
Das Ziel wird immer klarer
Nach
einigen Jahren der Trauer
begann ich langsam wieder in der Gemeinde mitzuarbeiten, ein neuer
Pfarrer
machte die Sache nicht einfacher. Sachkompetenz und Erfahrung waren mir
eine
Hilfe, den Hauptamtlichen aber immer ein Dorn im Auge. Vor etwa 7
Jahren
begann ich - wieder ehrenamtlich - in der Krankenhausseelsorge
mitzuarbeiten. Dort machte ich mit neuen Leuten in einem neuen
seelsorglichen
Bereich erstmals unbestritten positive Erfahrungen, ja, die Arbeit lag
mir, ich
wurde von den Patienten akzeptiert und holte mir aus der Arbeit Kraft
für mich
selbst. Zugleich wünschte ich mir immer mehr, Pfarrerin einer
konkreten kleinen
Gemeinde zu werden. Seit dieser Zeit ist mir selbst auch klar, dass
Priester
und Pfarrer eigentlich mein Berufswunsch schlechthin ist. Das kann ich,
und das
will ich.
“Die Lust am Herrn”, am
Gottesdienst, an der Verkündigung, am persönlichen
Glauben, Hoffen und Lieben
und die damit verbundene Einsamkeit habe ich mein ganzes Leben lang
verspürt.
Bis in meine Ordenszeit konnte ich den Wunsch, Priester zu werden, als
solchen
nicht formulieren. Mir hätte die Mitarbeit in einer Pfarre
genügt. Aber je
unerreichbarer eine kirchliche Anstellung wurde, desto heftiger wurde
das “ich
will alles”. In den von mir vorbereiteten Gottesdiensten
hielt ich
selbstverständlich auch die Predigt. Ich habe auch einen
Gottesdienstleiterkurs
besucht (ich wurde durch Zufall angemeldet, meinetwegen gab es aber
dann keine
offizielle Beauftragung der Absolventen, weil ich dabei hätte
ausgeschlossen
werden müssen) und bin hin und wieder auch Wortgottesdiensten
in der Gemeinde
vorgestanden. Ich empfinde es als selbstverständlich, wenn
mich die Schwestern
im staatlichen Krankenhaus als “der Pfarrer”
bezeichnen und die
Patienten von mir die Spendung aller Sakramente verlangen. Ich
ließ mir auch
eine Tunika nähen, um das Begräbnis meiner
Schwiegermutter zu halten.
Das
priesterliche Tun wird mit den
Jahren selbstverständlicher und mehr und mehr ein Teil von
mir. Manchmal kommen
in mir Fragen hoch, ob mir das alles erlaubt ist; die Fragen und Bitten
der
Menschen erübrigen zumeist eine Antwort.
Es hat
mich in all den Jahren immer
mit sehr großer Traurigkeit erfüllt, wenn
Mitbrüder ihr Amt niedergelegt haben,
um zu heiraten. Wie konnten sie etwas weggeben, was für mich
unerreichbar war!
Seit mehreren Jahren bin ich
auch
Jägerin und damit vielfach in Gesellschaft von
Männern, die nicht sehr
kirchennah und -freundlich sind. Irgendwann haben viele herausbekommen,
dass
ich als Frau auch “so etwas ähnliches wie ein
Pfarrer” bin. Ich halte oft
Katechesen am Wirtshaustisch. Eine interessante Überlegung der
Jäger war
einmal, ob mein Segen genau so viel gilt wie der von einem Pfarrer. Sie
entschieden sich für “ja”, weil ich ja
auch “ein Gewand” habe. In der Folge
haben sie mich als Predigerin für ihre Hubertusmesse
eingeladen. Meinen
Erfahrungen zufolge akzeptieren “normale
Gläubige” priesterliches Auftreten und
den Wunsch nach der Weihe viel fragloser als sogenannte
Berufskatholiken,
insbesondere Priester.
Meinen Wunsch nach dem
Priestertum
durfte ich besonders in Klosterzeiten nicht ausdrücken, denn
die Rolle der Frau
als Dienende war klar umschrieben. Mit dem Hinweis auf die
nötige Demut wurde
ein Streben nach dem Dienst am Altar als Priester als
Anmaßung empfunden.
Zweifel und Versuchungen
In regelmäßigen Abständen
stiegen
auch Zweifel in mir hoch, ob das Streben nach dem Priestertum nicht
meiner
Überheblichkeit entspringt. Muss ich denn wirklich in der
ersten Reihe
stehen?
Manchmal schlägt sich auch die
Versuchung der Bequemlichkeit dazu: Habe ich das überhaupt
nötig? Hat mir die
“Mutter” Kirche nicht bereits genug Leid,
Verletzungen, Enttäuschungen angetan?
Der Rückzug ins Privatleben ohne Kirche, Gemeinde,
Sonntagsdienst wäre nach den
vielen Jahren an der Zeit. Außerdem besteht nach dem
gegenwärtigen Stand der
Dinge niemals die geringste Chance, dass ich eine kirchliche Anstellung
oder
ein Amt bekommen könnte. Mein kirchliches Lehrverbot besteht
immer noch und
wird auch nicht aufgehoben. Sicherlich, wenn ich mich scheiden
ließe, dann wäre
die Fassade wieder in Ordnung, dann wäre ich kirchlich
betrachtet wieder „sauber“...
Nach dem Entzug der
Lehrerlaubnis
war ich 10 Jahre arbeitslos. In der Kirche war keine Stelle zu
bekommen, als
staatliche Kindergärtnerin hatte ich keine Chance. Durch
Zufall (?) bekam ich
aber 1991 -- ich war bereits 35 Jahre alt -- einen recht guten Posten
als
Lehrkindergärtnerin angeboten. Gleichzeitig kam eine
Studienreform, und ich
konnte die Ausbildung zur Hauptschullehrerin nachmachen. Ich
unterrichte jetzt
in der Sonderschule und habe mich zur Sonderschullehrer-Ausbildung
angemeldet,
weil in diesem Bereich besondere Nachfrage herrscht. In diesen letzten
Jahren
ist aber der Priesterwunsch kontinuierlich stärker geworden
Entdeckung meiner eigenen Freiheit
Meine
Mitschwestern haben schon vor
vielen Jahren auf meine Professkerze “von Gott
geliebt” geschrieben, weil ich
davon immer gesprochen habe. Ich habe viele
“Zufälle” nicht verstanden, aber
hinterher hat sich immer ein Knoten gelöst und herausgestellt,
dass nichts ohne
Sinn war. Mit meiner recht guten staatlichen Anstellung bin ich von der
Kirche
als Arbeitgeberin nicht abhängig. Ich arbeite -
ehrenamtlich - in
verschiedenen kirchlichen Bereichen mit. Niemand kann mir etwas
verbieten. Der
Bischof weiß um meine Aktivitäten, kann mich aber
nicht disziplinieren, wie
denn auch? Diese Freiheit beginne ich langsam zu begreifen.
Gerade in der Frage der
Frauenordination ist diese Freiheit von größter
Wichtigkeit. Wenn eine
Gemeinde, Gruppe, “Zwei oder Drei” mich darum
bitten werden, mit ihnen
Eucharistie zu feiern, werde ich das tun. Ich konnte mit Frauen
sprechen, die
dies bereits tun. Sie und ich sind dazu befähigt durch Taufe
und Firmung, also
durch die Gaben des Heiligen Geistes. Ich bin mir bewusst, dass dies
nach dem
Kirchenrecht verboten ist und mit Kirchenstrafen geahndet werden kann.
Aber was
kann mich scheiden von der Liebe Christi? (vgl. Röm 8,35.39).
Diese Worte des
Paulus haben mir Mut gemacht. Ich konnte mit Frauen sprechen, die ihre
Anstellung in der Kirche haben. Sie setzen ihre Hoffnung auch auf
Frauen wie
mich, die nicht um ihre Existenz bangen müssen, wenn sie das
tun, was der Herr
uns aufgetragen hat, nämlich sein Gedächtnis zu
feiern.
Hoffnungen und Ängste
Ich
bin mittlerweile 40 Jahre alt und
habe 25 Jahre für meinen Lebenstraum als Priesterin
gekämpft. Ich habe so sehr
gehofft, dass die Zeit nach dem II. Vatikanischen Konzil eine Zeit des
Aufbruchs
und der Erneuerung wird. Ich war so glücklich, gerade in
dieser Zeit jung zu
sein. Ich genoss die Erneuerung der Liturgie und war voller Hoffnung,
dass es
so weitergeht. Während meiner Ordenszeit wurde Johannes Paul
II. Papst, und
fast auf den Tag genau kam die Bewegung des Aufbruchs zum Stillstand
und geht
seither kontinuierlich zurück. Ich bin aus einem anderen
Kloster ausgetreten
als jenes, in das ich eingetreten war.
Ich habe
Angst, dass für mich die
Zeit nicht reicht, bis sich die Kirche wieder vorwärts bewegt.
Sicher, ich habe
den Aufbruch in mir und in vielen anderen Menschen gespürt,
aber werde ich
lange genug leben? Ich möchte nicht als uralte Frau am Altar
stehen und
Menschen, denen das Evangelium bereits völlig fremd und
uninteressant ist, von
einer Kirche predigen, die das Testament Jesu verwaltet. Ich
möchte von einem
Jesus erzählen, den die Kinder noch von ihren Eltern kennen
gelernt haben. Ich
fürchte, meine Generation ist die letzte, die noch so viel
Energie in die
Kirche investiert. Ich habe schon so viel Kraft verbraucht. Ich
fürchte, ich
werde nicht durchhalten, bis sich eine geschwisterliche Kirche
verwirklicht, in
der auch ich am Weihepriestertum teilhaben kann.
Auf
jeden Fall werde ich im
Wintersemester 1996 an der Theologischen Hochschule inskribieren und
versuchen,
das akademische Studium neben meiner Berufstätigkeit zu
absolvieren. Ich möchte
nicht, dass meine Zulassung zur Weihe am fehlenden Studium scheitert.
Mein Traum von der Kirche der Zukunft
Dies
sind meine Visionen von der
Kirche der Zukunft: - In einer geschwisterlichen Kirche wird es keine
Frage
sein, ob ich Mann oder Frau bin. Wichtig wird sein, ob ich Gott suche
und seine
Botschaft verkünden will. - Die
Männerbischöfe erleben eine Bekehrung der
Herzen, die ,Heilige Ruach' (= Heiliger Geist) ist in einem neuen
Pfingsten auf
sie gekommen. Sie verstehen die Botschaft Jesu ganz neu und verstehen
die Nöte
der Menschen. Die unnötigen Lasten werden von der Schultern
der Mühseligen und
Beladenen genommen. Scheitern ist in der Kirche Jesu Christi ein Fall
für die
Barmherzigkeit Gottes und nicht mehr für die menschliche
(Un-)Gerechtigkeit.
- Konflikte werden
im Geist Jesu gelöst. Das
Mühen um die gegenseitige Liebe wird von lebenserfahrenen
Seelsorgern begleitet. Umkehr und Neuanfang sind eine
großartige heilige Chance.
- Priesterliche Männer
und Frauen werden nicht
mehr zur zölibatären Lebensform gezwungen; sie
wählen frei, wie sie leben möchten. Niemand ist mehr
gezwungen, irgendwelche Masken zu tragen.
- Kirchliche
Amtsträger haben es nicht
nötig, Gewalt auszuüben, sie haben
Autorität, weil sie kompetent sind. Das kirchliche Lehramt ist
von Weisheit durchdrungen und keine sophistische Schulmeisterei.
- Priesterliche Menschen werden nach ihrem Leben
ausgewählt. In jeder Gemeinde gibt es mehrere Priester,
Männer und Frauen, wie es eben notwendig und möglich
ist. Sie sind theologisch gut und praxisnah ausgebildet, aber nicht um
jeden Preis akademisch. Die meisten haben einen anderen Beruf und ihre
Familien, halten an einem Abend ihre Sprechstunden und leben mit den
Menschen, denen ihre Seelsorge gilt. Sie stehen abwechselnd den
Gottesdiensten in ihren Pfarrkirchen vor, zumeist feiern sie die
Eucharistie in überschaubaren Gruppen. Sie kennen die
Menschen, für die sie priesterliche Sorge tragen, wissen um
ihre Nöte und besuchen die Kranken. Die Priester begleiten die
Rundenleiter und die ehrenamtlichen Mitarbeiter. Sie haben gelernt zu
delegieren und freuen sich ohne Eifersucht über die Erfolge
der anderen.
- Ich persönlich möchte gerne in
einer kleinen Gemeinde, einem Wohnviertel, in einem Krankenhaus oder
einem abgegrenzten seelsorglichen Bereich arbeiten. Ich möchte
nicht als kirchliche/r Multifunktionär/in aufgerieben werden,
weil angeblich alles dem Priester unterstehen muss. Weihe ersetzt nicht
Kompetenz, es gibt wahrscheinlich Leute, die sich besser für
Verwaltung und Organisation eignen als Priester. Ich möchte
mit den Menschen auf dem Weg zu Gott sein, mit ihnen die Sakramente
feiern, geschwisterlich Fragen des Lebens klären, weil ich
weiß, dass ich genauso wie sie der Liebe, Barmherzigkeit und
Vergebung Gottes bedarf. Ich weiß mich von Gott geliebt,
gerufen, auserwählt, aber auch ausgesetzt. Immer wieder muss
ich auch für mich die Zugänge zu den Geheimnissen
suchen, denn sie gefunden zu haben, heißt gleichzeitig, sie
auch verloren zu haben. Ich möchte Priester sein in meiner
konkreten Lebenssituation, für die Menschen, die ich lieb
habe, die mir gegeben und anvertraut sind, für meine konkrete
Zeit und ihre Fragen und Probleme. Ich möchte nicht
kämpfen müssen für die Kirche in 100 Jahren,
denn ich lebe jetzt. Ich will die Zeit nützen, die ich habe,
und nicht Phantomen nachjagen müssen.
...
damit in allem Gott verherrlicht werde
Ich habe
dies gegen starke innere
Widerstände und mit Überwindung geschrieben. Ich gebe
so viel von mir und dem
Geheimnis preis. Ich weiß aber, dass es notwendig ist,
über die
Frauenordination zu sprechen und dass dahinter auch konkrete Frauen mit
einer
ehrlichen Geschichte stehen müssen. So möchte ich
meine Geschichte auch
verstanden wissen.
BenediktinerInnen schließen
ihre
schriftlichen Arbeiten immer mit einem Zitat aus der Ordensregel:
„ut in
omnibus glorificetur Deus“ -- damit in allem Gott
verherrlicht werde!